Wie es um Ludwigs Seele geschaffen war
Als nun Ludwig der Eiserne gestorben war, da hätte sein Sohn, Ludwig
der Milde, gern erfahren von seines Vaters Seele, wie es um die gelegen
wäre, gut oder bös. Das vernahm ein Ritter an des Fürsten
Hofe, der war arm und hatte einen Bruder, der war ein Pfaffe und kundig
der schwarzen Kunst. Der Ritter sprach zu seinem Bruder: »Lieber
Bruder, ich bitte dich, daß du von dem Teufel erfahren wollest,
wie es um des Eisernen Landgrafen Seele sei.« Da sprach der Pfaffe:
»Ich will es gerne tun, auf daß Euch der neue Herr desto gütlicher
handle.« Der Pfaffe lud den bösen Geist und fragte ihn um die
Seele. Da antwortete der Teufel: »Willt du mit mir darfahren, ich
weise sie dir.« Der Pfaffe wollte das, so er's ohne Schaden tun
möchte; der Teufel schwur, daß er ihn gesund wiederbringen
würde. Nach diesem saß er auf des Teufels Hals, der führte
ihn in kurzer Zeit an die Stätte der Pein. Da sah der Pfaff gar mancherlei
Pein, und in mancherlei Weise, davon erbebte er sehr. Da rief ein ander
Teufel und sprach: »Wer ist der, den du hast auf deinem Halse sitzen,
bringe ihn auch her.« - »Es ist unser Freund«, antwortete
jener, »dem hab ich geschworen, daß ich ihn nicht letze, sondern
daß ich ihm des Landgrafen Seele weise.« Zuhand da wandte
der Teufel einen eisernen glühenden Deckel ab von einer Grube, da
er aufsaß; und hatte eine eherne Posaune, die steckte er in die
Grube und blies darein also sehr, daß dem Pfaffen deuchte, die ganze
Welt erschölle und erbebete. Und nach einer Weile, als viel Funken
und Flammen mit Schwefelgestank ausgingen, kam der Landgraf auch darin
gefahren, gab sich dem Pfaffen zu schauen und sprach: »Sieh, ich
bin hier gegenwärtig, ich armer Landgraf, weiland dein Herre; und
wollte Gott, daß ich's nie gewesen wäre, so stete Pein muß
ich drum leiden.« Sprach der Pfaffe: »Herr, ich bin zu Euch
gesandt von Eurem Sohne, daß ich ihm sagen sollte, wie's um Euch
getan wäre, ob er Euch helfen möchte mit irgend etwas.«
Da antwortete er: »Wie es mir geht, hast du wohl gesehn; jedoch
solltu wissen, wär's, daß meine Kinder den Gotteshäusern,
Klöstern und andern Leuten ihr Gut wiedergäben, das ich ihnen
wider Recht mit Gewalt abgenommen habe, das wäre meiner Seele eine
große Hilfe.« Da sprach der Pfaffe: »Sie glauben mir
dieser Rede nicht.« Da sagte er ihm ein Wahrzeichen, das niemand
wüßte als sie. Und da ward der Landgraf wieder zur Gruben gesenkt,
und der Teufel führte den Pfaffen wieder von dannen; der blieb gelb
und bleich, daß man ihn kaum erkannte, wiewohl er sein Leben nicht
verlor. Da offenbarte er die Worte und Wahrzeichen, die ihm ihr Vater
gesagt hatte; aber es ward seiner Seele wenig Nutzen, denn sie wollten
das Gut nicht wiederkehren. Darnach übergab der Pfaffe alle seine
Lehen und ward ein Mönch zu Volkeroda.
Kommentar: Bange, Bl. 65, 66. Gerstenberger
a.a.O., S. 254 - 257.
Rohte, 1686, 1687.
Quelle: Deutsche Sagen, Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Brüder Grimm),
Kassel 1816/18, Nr. 554