DAS KÜHTREIBERLE
"Dos hot holts Kiehtreibale gitoh!" *), sagten die Leute, wenn auf der Pürschtalalm in St.Peter manchmal zu ganz unrechter Zeit die Rinderherde von der Hütte fortgetrieben wurde. Weithin tönten die Kuhschellen und Glocken, die Herde sprang in wilder Flucht über Stock und Stein, man hatte den Eindruck, jemand müsse hinter ihnen her sein. Weit hinauf ins Gebirge wurden die Tiere gejagt, und wenn man sie schließlich wiederfand, standen sie an Stellen, wohin der kühnste Hirte es nicht gewagt hätte sie hinzutreiben. Doch die Herde war stets vollzählig und unversehrt. Doch manchmal glaubten die Hirten den Schelm doch zu sehen, hinter einem Stein, an einem Abgrund. Manchmal sah man sein Köpfchen neugierig hervorschauen und verschmitzt lachen.
Anderenorts benahm sich das Kühtreiberle weniger harmlos. Es ist
vorgekommen, dass über Nacht im Freien eingezäunte Herden plötzlich
durch einen grellen Pfiff, einen Schuss, durch einen Lichtstrahl oder
durch ein eigenartiges Rauschen geweckt und sosehr erschreckt wurden,
dass die Tiere nicht mehr zu halten waren, panisch davonrannten und über
Felswände in den Tod stürzten.
(gesammelt und aufgeschrieben von Steger Konrad)
*) Übersetzung: Das hat halt das Kühtreiberle getan!
Quelle: Copyright © Konrad
Steger
nach mündlichen Erzählungen von AhrntalerInnen
Fink, Hans: Zur Sagenwelt des Ahrntales. In: Das Ahrntal. Heimatkundliche
Beiträge. Sonderdruck "Der Schlern" Nr. 7/8 1978, S. 89-
96.
Bei uns erzählt man... Geschichten aus dem Ahrntal. Broschüre
der Klasse 3E der MS St. Johann, 1989/90.