Knappenfrevel
Der einst reiche Bergsegen in Pflersch soll den Knappen so sehr in den Kopf gestiegen sein, daß sie sich zu allerlei Freveltaten hinreißen ließen. Sie ließen sich goldene Nägel in ihre groben Schuhe schlagen und gaben im ganzen Tal protzig den Ton an. Eines Tages wollten die übermütigen Bergleute die Frau ihres Hutmannes (Vorarbeiter) erschrecken. Einer von ihnen legte sich auf eine Bahre, welche man zudeckte und von einem Stollen her bis vor ihr Haus trug. Mit gekünstelter Miene teilte man der Frau mit, ihr Mann sei im Stollen tödlich verunglückt. Da warf sich das Weib in Verzweiflung über die angebliche Leiche, riß das Tuch weg und sah wohl einen Toten doch nicht ihren Gatten vor sich. Der Herrgott hat den Frevler, der den toten Hutmann hatte darstellen wollen, selbst mit einem plötzlichen Tod bestraft. Das war die letzte Schandtat der Knappen gewesen, denn bald darauf versiegte der reiche Bergsegen und der Bau wurde eingestellt. Es tat im ganzen Tal einen hellen Klingler zum Zeichen, daß es mit dem Silberfund zu Ende gegangen war. Heute werden nur noch Geschichten von seinerzeit weitergetragen. Doch auch mit diesen geht schon ein Ende her.
Quelle: Hans Fink, Das Venedigermandl, Eine alpenländische Gestalt. Alpenländische Bergwerksgeschichten. Brixen 1997. S. 43.