Gossensaß
Früher haben ja die mehrigsten Häuser in Gossensaß den Knappen gehört, auch das Warbles-Kirchl und fast das ganze Pflerschtal. Sie haben in den Bergen gearbeitet und viel Erz gefunden, Silber und Blei. Ehnder sie eichn (hinein) gangen sein in die Löcher, haben sie allm lange gebetet. Einer konnte hier noch das Gebet:

O, heilige Barbara, Du edle Braut,
Mein Seel und Leib sind Dir anvertraut.

Ihr Hochmut war groß; sie hatten selbst silberne Schuhnägel. Als es am ärgigsten mit ihnen war, hat ein Bauer, wenn er heiraten wollte, keine Dirn kriegt; sie gaben alle den Knappen den Vorzug. Einmal aber schunden sie einen Ochsen bei lebendigem Leibe und streuten Salz auf ihn. Der Ochse schaute zum Himmel auf und rerte. Da hat man von den Bergen ein Klingen von Silber und Gold gehört, und das Bergwerk war verfallen.

"In Rom haben sie gesagt", unterbrach ich die Erzählerin, "die Knappen wären lutherisch gewesen." "Lutherisch müssen sie wohl gewesen sein", rief unerwartet die mehr als achtzigjährige Moidl (eine ältere Schwester der Zenze) von ihrem letzten Lager unter dem Herrgott, "sonst hätten sie das ja nicht getan!"

= Rehsener/Tirol 1895 S. 90 (Erz.: Creszens Holzmann geb. 1813 auf dem Ausseer Giggelberg/Tirol); dan.: Peuckert/Ostalpensagen 1963 Nr. 55, II S. 32 - Heilfurth Nr. 708 S. 660.
Aus: Gerhard Heilfurth, Südtiroler Sagen aus der Welt des Bergbaus, An der Etsch und im Gebirge, 25. Bändchen, Brixen 1968, Nr. 29, S. 31