DER UNHEIMLICHE STEIN
Auf dem Weg von Afing nach Flaas hinauf liegt ein großer Stein,
der vor uralten Zeiten vom Schwarzegg herabgekollert ist und sich mitten
im Tal postiert hat. Dieser Stein ist unheimlich. Einst ging eine Dirn
vom Pircher frühmorgens vor dem Betläuten den Weg da vorbei.
Als sie in die Nähe des Steines kam, fiel ihr ein, was die Leute
von dem Stein erzählten, und sie fürchtete sich. Um den Geist
nicht aufzuwecken oder zu erzürnen, zog sie die "Kospen"
(Holzschuhe) aus und schlich recht behutsam vorbei. Auf einmal stieß
sie so von ungefähr ein wenig an den Stein, da rief eine Stimme neben
ihr, daß es nur so in den Ohren hilderte: "Jetzt hast du mich
erschreckt; hättest du die Kospen nicht heruntergetan, so würde
ich dich haben gehen hören und hätte dir ausstellen können,
so aber nicht. Tust du's noch einmal, so zerreiß' ich dich."
Quelle: Heyl, Johann Adolf, Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, Brixen 1897, S. 217