DER TAG IST DEIN, DIE NACHT IST MEIN
Einen alten Weifner in Afing hatte der Geiz gefaßt, wie der Böse die Hexen. Ein Pfennigschaber war er, als lehnte schon der Bettelstab vor seiner Haustür, Er war der erste auf und der letzte im Bett, und wo die Arbeit am sauersten war, griff er am hitzigsten zu, alles aber aus purem Geiz. Wenn die Dienstboten nicht arbeiteten, daß ihnen die Rippen krachten, begehrte er auf, was er nur losbringen konnte.
Da hatte er einmal Schnitter; von frühmorgens bis spätabends ging's den Acker auf und ab wie's Hexenwetter, aber am andern Tage beim Betläuten abends war gerade noch ein Fleckel von fünf Schuh im Geviert ungeschnitten, Das muß noch heut' fertig werden! dachte der Bauer und ging nach dem Nachtessen mit der Sichel in der Hand mutterseelenallein hinaus auf den Acker. Schon hatte er die Sichel angesetzt, da schreit's neben ihm, daß ihm die Ohren gellen:
Der Tog isch dein,
die Nacht isch mein;
glei scher di heim,
sust geaht's dar gleim!
Der Bauer hat fein hurtig zusammengepackt und ist heim; er hat es sich
zur Witzigung sein lassen und bei Nacht nie mehr gearbeitet.
Quelle: Heyl, Johann Adolf, Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, Brixen 1897, S. 224