DIE ST.-KLARA-BIRNEN

Als die heilige Klara in der letzten Krankheit lag und ihren Klöstern ein Andenken vermacht hatte, erinnerte man sie an ihr jüngstes Kloster in Brixen und fragte sie, ob sie nicht auch diesem etwas vermachen wolle. Da war es ihr leid, daß sie der jungen Töchter in Brixen vergessen hatte, weil sie so siech war, und sie sprach: "So habe ich doch gar nichts, damit ich sie in Freude versetzen könnte; ach, hätte ich doch eine Birne aus dem Garten, die wollt' ich ihnen gerne senden!"

Da war es aber nicht um die Zeit, daß man reife Birnen hatte. Ein Bruder aber ging im Vertrauen auf die Heiligkeit der Jungfrau hinaus in den Garten und sah einen Ast voll zeitiger Birnen, die brach er ab und brachte sie Sankt Klaren. Davon nahm sie eine, lobte Gott und sandte sie ihren Töchtern in Brixen und hieß dieselben von ihr fröhlich grüßen.

Das geschah, und die Töchter Sankt Klaren in Brixen pflanzten mit dem Kern der süßen Frucht in ihrem Garten einen Baum, der wurde groß und stark und war alle Jahre voll Blüten und Früchte. Dieser Baum steht noch heute daselbst, und seine Früchte heißt man noch immer Sankt-Klara-Birnen.

Quelle: Heyl, Johann Adolf, Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, Brixen 1897, S. 130