DIE FREIMANNSGRUBE

In der Brixner Gegend erzählt man von einer merkwürdigen Goldgrube, die Freimannsgrube genannt. Niemand weiß genau, wo die Grube sich befindet; die meisten sagen, sie liege irgendwo am Weg nach Kärnten. In die Freimannsgrube darf jeder eintreten, der sie nur findet; aber sie steht nur alle hundert Jahre einmal offen. Dann sieht man darin ein blaues Licht herumtanzen; das kommt daher, weil der Schatz blüht. Die Grube führt tief in den Berg hinein und besteht aus drei hintereinanderfolgenden Höhlen. Vor jeder derselben hält ein gespenstiger Bergmann Wache, und der vor der dritten Höhle, in welcher der Schatz liegt, schwingt drohend ein langes Schwert, um dem Schatzsucher Furcht einzujagen.

Selten getraut sich jemand beim dritten Wächter vorbei, aber einer ist doch einmal hineingegangen und hat das Gold nur so haufenweise angetroffen. Er hat sich damit seinen Schurz voll angefüllt und ist wieder heraus. Wie er aber beim letzten Wächter vorbei mußte, hatte dieser einen Totenkopf auf, der so fürchterliche Grimassen schnitt, daß der Mann in seinem Schrecken alles Gold aus dem Schurz fallen ließ und leer davonrannte.

Quelle: Heyl, Johann Adolf, Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, Brixen 1897, S. 621