DIE PEER-THRESL-NOHTERIN

Ein Barbianer Bauer beschloß, die Peer-Thresl-Nohterin, die sich rühmte, eine ganz schneidige zu sein, einmal anständig fürchten zu machen. Er warf sich ein schwarzes Tuch über, nahm eine brennende Kerze in die Hand und erwartete die Thresl im Friedhof. Er wußte nämlich, daß sie jeden Abend vor dem Heimgehen ihren verstorbenen Angehörigen einen kurzen Besuch abzustatten pflegte.

Als sie nun, ins Gebet versunken, vor einem Grabe stand, trat der vermeintliche Geist hinter einem Grabstein hervor und stöhnte entsetzlich: "Oh weh, oh weh!" Die Nohterin erschrak zu Tode, stürzte davon und verbrachte daheim eine schlaflose Nacht. Am folgenden Morgen kam sie zu jenem Bauern auf die Stör. Da foppte sie nun derselbe, warum sie denn gestern abends vor ihm soviel Angst gehabt hätte.

Ehrlich entrüstet schwor nun die erboste Näherin, sie würde ihm den losen Streich schon zurückzahlen, wenn sie einmal gestorben sei. Sie würde ihm als echter Geist erscheinen und eine gebührende Lektion erteilen.

Nach Jahren starb die Thresl. Für den Bauern aber kamen schlimme Nächte: denn fortwährend besuchte ihn die verstorbene Näherin, entweder in der Gestalt einer weißen Hand oder als mahnende Stimme.

Quelle: Fink, Hans, Eisacktaler Sagen, Bräuche und Ausdrücke. Schlern-Schrift Nr. 164, Innsbruck 1957, S. 287