DIE SALIGEN WEIBELEN IN AFERS
In Afers haben früher im Wald überall herum die Saligen Weibelen gehaust. Die sind immer still und traurig gewesen, aber sie haben die Leute gern gehabt und ihnen oft bei der Arbeit geholfen. Wenn aber eins zweifelte, ob das wohl etwa ein Saliges Weibele sei, dann gingen sie davon.
Sie haben die Leute vor Unglück gewarnt, und dabei hat man sie nicht gesehen, sie haben nur aus einem "Tschuppen" im Wald herausgeschrien. Oft haben sie als Mägde gedient, und dann ist es im Haus immer gut gegangen; lang geblieben sind sie aber nirgends, sondern meistens plötzlich weinend fortgegangen, nachdem sie von irgendwoher eine "Mahnung" bekommen haben.
"Zu Nitze" ist ein großer Hof in Afers. Da haben sie einmal beim Schneiden etliche Sicheln draußen gelassen über Nacht. Da sind die Saligen Weibelen gekommen und haben ein tüchtiges Stück Feld in der Nacht geschnitten.
Andern Abends haben sie wieder die Sicheln draußen gelassen und den guten Weibelen eine feste Schüssel voll "Türtlen" hinausgestellt, daß sie nicht erschwachen sollen. Die Weibelen haben's gern, wenn man ihnen zu essen gibt; deshalb war andern Tags früh das Feld bis auf weniges ganz geschnitten.
Beim Mesner in Afers hat ein Saliges Weibele einmal einen Fadenknäuel zur Tür hineingeworfen und gesagt: "Fragt nicht nach dem End'!" Der Knäuel ist nie gar geworden. Einmal hat die Näherin gesagt: "Wo ist denn da ein End'?" Darauf hat sie nur mehr ein Häuflein Asche in der Hand gehabt.
Wie einmal die Bäurin zu Velton Krapfen gebacken hat, ist plötzlich
ein kleines, nettes, aber trauriges Weibele vor dem Kuchlfenster gestanden
und hat Krapfen gebettelt. Die Bäurin hat ihr eine Kelle voll heißes
Schmalz hinausgeschüttet. Da hat das Weibele gesagt: "O och!
o weah! bis afn neuntn koa reicher Veltoner mea!" Und so ist's gekommen,
weil's ein Saliges Weibele gewesen ist, dem man nur Gutes tun soll. Erst
der zehnte Besitzer des Veltonerhofes ist wieder zu Wohlstand gekommen.
Quelle: Heyl, Johann Adolf, Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, Brixen 1897, S. 168 f.