ST. MAGDALENA IN VILLNÖß

Bevor der hinterste Weiler im Tal Villnöß noch eine Kirche hatte, hörte der Bauer von Oberkantiol auf dem Kofel oben, wo die Saligen wohnten, immer am Vorabenden von Sonn- und Festtagen Feierabend läuten. Das freute ihn, und er stellte mit dem Läuten auch gleich seine Arbeit ein. Einmal aber war er beim Garbenführen mit dem vollen Wagen gerade vor seinem Stadel, als es auf dem Kofel läutete. Eintun muß ich die Garben doch noch, meinte er, weil's nicht weiter ist, und so fuhr er geschwind noch beim Stadeltor hinein. In dem Augenblick verstummte das Läuten und ließ sich nie wieder hören. Der Bauer hatte kein Glück mehr und bereute sein Tun bitter. Zur Sühne ließ er das St.-Magdalena-Kirchlein bauen.

Zur Baustätte wurde der Probitzler Boden ausersehen. Schon waren die Zimmerleute mit dem Behauen der Werkhölzer beschäftigt, aber der hackte sich in die Hand, ein anderer in den Fuß, und das Blut rann auf die Späne hinab. Da kamen seltsame Vögel geflogen und trugen die blutigen Späne auf den benachbarten Hügel hinauf, wo sie dieselben so kunstgerecht aneinander reihten, daß jedermann leicht den Grundriß einer Kirche erkennen konnte. Nach diesem Grundriß wurde nun die jetzige Magdalenakirche auf dem besagten Hügel wirklich erbaut.

Quelle: Heyl, Johann Adolf, Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, Brixen 1897, S. 115