DIE TOTENANMELDUNG

Vor Jahren hatten sich beim Stieger in Barbian mehrere Musikanten in der Stube zusammengefunden. Man hielt eine Probe für die "Böhmische". Das Haustor war versperrt, und die Bäuerin hatte sich mit den Kindern bereits zu Bette begeben.

In den Pausen hörten die Bläser in der "Lawe" (im Hausgang) fortwährend schwere Tritte. Mehr als einmal riß man die Tür auf, um nachzuschauen. Es war aber niemand draußen. Obwohl sie allesamt sicher waren, sich nicht getäuscht zu haben, legte man dem Vorfall keine Bedeutung bei und ging heim.

Am folgenden Morgen begab sich der Stieger zu seinem Nachbarn auf Besuch. Er wußte denselben nämlich schwer krank. Weinend erzählte ihm aber die Frau desselben, ihr Mann wäre am vorigen Abend gestorben. Vorher hätte er aber fortwährend den Wunsch geäußert, noch einmal seinen Freund, den Stieger, sehen zu wollen. Bevor er starb, forderte er überraschenderweise seine Frau noch auf, dem Stieger ein Star "Plenten" (Buchweizen) zu schenken.

Die rätselhaften Tritte beim Stieger waren die Totenanmeldung des Nachbars gewesen.

Quelle: Fink, Hans, Eisacktaler Sagen, Bräuche und Ausdrücke. Schlern-Schrift Nr. 164, Innsbruck 1957, S. 287