DER UNHEIMLICHE WAGEN
Bei einem Cruzifix [Kruzifix] zwischen Kolman und Klausen war es lange
Zeit nicht geheuer. Oft vernahm man dort in heiligen Nächten lautes
Gerassel und starkes Rollen, als ob zwei wilde Pferde mit einem leeren
Wagen dahersprengten. Wer das daherbrausende Fuhrwerk hörte, mußte
sich auf die Erde werfen, sonst war er rettungslos verloren und lag morgens
erwürgt auf der Straße. Ein Fuhrmann, der davon hörte,
gieng die Wette ein, in einer Quatembernacht auf offener Straße
den Wagen zu erwarten. Mit trotziger Stirne stand er, als das Fuhrwerk
nahte, da und wich nicht einen Finger breit aus; dies kam ihm theuer [teuer]
zu stehen, denn auch er blieb maustodt [maustot] auf der Straße
liegen. Später kam der unheimliche Wagen zur Ruhe. Vermuthlich [Vermutlich]
haben ihn die Kapuziner gebannt. (Bei Kolman.)
Quelle: Zingerle, Ignaz Vinzenz, Sagen aus Tirol, 2. Auflage, Innsbruck 1891, Nr. 25, S. 16