VERSCHWUNDENE WÖCHNERINNEN
Einige Minuten oberhalb des Hundsgruberhofes am Gemeindeweg von Brixen
nach Lüsen stand vor Zeiten ein alter Bildstock: eine sogenannte
Totenrast. Einst wollte das Weib des Hundsgruberbauern in die Kirche nach
Lüsen gehen, um sich nach überstandenem Wochenbette aufsegnen
zu lassen. Als sie ein Stück Weges gegangen war, fiel ihrem Begleiter
plötzlich ein, daß er irgend etwas vergessen habe. Er kehrte
um, und als er nach einigen Minuten wiederkam, war die Frau spurlos verschwunden.
Der Bauer ging nun zu den Kapuzinern nach Brixen, die ihm anrieten, sich
am Freitag um Mitternacht zur "Totenrast" zu begeben; er werde
dort etwas sehen. Als er zur angegebenen Stunde dorthinkam, sah er zwei
Männer mit einer Totentruhe, in der sein Weib lag. Sie erhob sich
und ging mit ihm nach Hause, hat aber niemals gesagt, wo sie gewesen ist,
ist auch ein Jahr später gestorben.
Quelle: Der Sammler, Beiträge zur tirolischen Heimatkunde. Hrsg. Franz Innerhofer, 5 Bände, Meran 1906/1911. Bd. II, S. 135 f.