Huisile betet ein Ave Maria

In seinen alten Tagen, als der Pakt mit dem Schwarzen Schutzengel bald zu Ende ging, machte Huisile auf dem Jaufenpaß noch einmal ein solch schreckliches Gewitter, wie er es noch nie zustande gebracht hatte. Die Blitze flammten und die Donner krachten über Berg und Tal, keine Wetterglocke wollte mehr helfen, so sehr sie von allen Kirchen und Kapellen läuteten und wimmerten. Über das ganze Land der Berge breitete sich das Wetter aus. Je länger das Hochwetter dauerte, um so wilder und furchtbarer wurde es, so daß Huisile selber ganz verzagt wurde und sich nicht mehr zu helfen wußte. Wie bei der verzauberten Prozession in Sankt Leonhard "d'erstöllte er das Hochwetter nimmer ein!" Entsetzt dachte sich der Hexenmeister, nun sei auch für ihn die letzte Stunde gekommen und der Schwarze Schutzengel werde erscheinen, ihn bei Sturm und Blitz und Donner in die Hölle zu werfen!

In dieser seiner Angst und Verzweiflung betete Huisile seit langem wieder ein Ave Maria. Die Wirkung dieses Gebetes war ungeheuer: Auf einmal beruhigte sich das Hochwetter, die Blitze verzuckten, die Donner verstummten, das schwarze Gewölke löste sich, und bald war der Himmel wieder hell und klar, von lichtester Sonne erfüllt. Ungeheuer war die große Stille.

Aber kaum hatte das armselige, zitternde Männlein das Gebet gesprochen, so packte der Tuifl es schon und trug es in einem Wirbelwind auf den Jaufenspitz hinauf, um endgültig Schluß mit dem wankelmütigen Schützling zu machen. Voller Zorn wollte der Tuifl den zitternden Huisile über die schwarze Nordwand hinunterwerfen, um ihn zu zerschmettern wie eine Katze - - - er fuhr schon aus mit weitem Schwunge - - - aber was war da...? Wieder stand "das Weibits mit dem bloben Fürtuch und hob die Hände auf, um den armen Sünder in Gnaden aufzufangen...!"

Damit war der Schwarze Schutzengel nicht einverstanden. Im letzten Augenblick ließ er sein Opfer fahren und zeigte sich gut zu ihm. Denn er wartete ja auf seine Seele.

"Selm wär's für Huisilen noch guet gangen," erzählen die alten Passeirer und schütteln ernst ihren Kopf. Aber der Schwarze Schutzengel hatte Geduld.

Quelle: Pfeifer Huisile, Der Tiroler Faust, Hermann Holzmann, Innsbruck 1954, S. 94.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Bettina Stelzhammer, Februar 2005.