DER RITTER PRACK ALS SCHÜTZE
Ein alter Ritter von Prack zu Asch, ein trefflicher Schütze, war mit den Herren v. Colz verfeindet. Einst erblickte er von dem Fenster seiner Burg Asch aus den Colzen, der von Piccolein her durch den Plaieswald ritt. Hastig legt der Prack an und schießt nach dem gehaßten Gegner, obwohl die Entfernung mindestens eine Stunde betrug. Aber er traf nur den Sattelknopf seines Todfeindes.
Einmal ritt der Prack durch den Plaieswald, und sein Feind, der Burgherr auf dem "Thurn" ober St. Martin, ersah ihn. Oft hatte er vor dem Pracken auf seinen festen Turm fliehen müssen, jetzt war dieser in seine Hand gegeben, denn auch er war ein geübter Schütze. Er schoß einen scharfen Pfeil auf den Pracken hinab, aber das Geschoß schwirrt an demselben vorüber. Jetzt hebt sich der Pracke zornig im Sattel, wendet seinen Schimmel und schießt einen leichtbeschwingten Pfeil gegen seinen Feind auf das Schloß Thurn. Dieser hatte sich eben noch rechtzeitig von der Fensterbrüstung zurückgebogen, als schon des Pracken Geschoß durch das Fenster sauste und oben die Zimmerdecke durch und durch bohrte. Vom südlichen Ende des Plaieswaldes bis auf das Schloß Thurn hat man eine halbe Stunde Weges zu gehen.
Das Loch in der Decke, das der Pfeil aufgerissen hat, wird noch gegenwärtig
dem Besucher des Schlosses Thurn gezeigt.
Quelle: Heyl, Johann Adolf, Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, Brixen 1897, S. 578