ST. JAKOB IN GRÖDEN

Hoch über St. Ulrich in Gröden stand einst das schöne Schloß Stetteneck, das den mächtigen und reichen Herren von Säben zu Stetteneck gehörte. Der letzte dieser Säbner zu Stetteneck, Herr Jakob mit Namen, dem sein einziger Sohn und Erbe zu früh gestorben war, beschloß nun, seinen ganzen Reichtum zu Ehren Gottes zu verwenden und eine dem hl. Jakob, seinem Namenspatron, geweihte Kirche zu erbauen. Herr Jakob besaß eine schöne, sonnige und ebene Wiese herunten im Tal und gedachte, hier die Kirche zu erbauen. Aber als man dann mit den Arbeiten begonnen hatte, da haben sich die Handwerksleute fortzu geklemmt und verletzt, und plötzlich kamen wilde Vöglein daher, die hoben die blutigen Späne auf und trugen sie in ihrem Schnabel weit den Berg hinan und ließen sie dort oben fallen - an einem allerdings sehr steilen und unebenen Platz. Da verstand man aber, daß es wohl Gottes Wille sei, die neue Kirche nicht herunten im schönen Talboden, sondern oben in diesem steilen Berg zu haben. Und so beschloß man also, die Kirche dort oben zu erbauen. Doch es gab nirgends Wasser da oben, wie sollte man also den Mörtel anrühren und die dürstenden Bauleute laben? Aber auch hier half Gott in seinem unergründlichen Ratschluß ab: denn siehe, über Nacht sprang nächst der Kirche eine Quelle aus der Erde und murmelte als frisches Bächlein den Hang hinab! So konnte man also hier die Kirche erbauen, und die Quelle floß so lange, bis die Kirche vollendet war. Erst dann versiegte sie wieder.

Quelle: Wolkenstein, Marx Sittich von, Landesbeschreibung von Südtirol. Verfaßt um 1615, herausgegeben als Schlern-Schrift Nr. 34, Innsbruck 1936. S. 261