DIE HEXE IM WIRBELWIND
Ein Bursche saß eines Tages auf der Wiese seines Vaters in Enneberg und schaute den Dienstboten des Nachbars zu, wie sie mit ihren Rechen im frischen, duftenden Heu hantierten. Denn es war ein heißer Tag, und das Heu mußte herein, bevor das Gewitter losbrach.
Da fuhr auf einmal eine Windhose daher und fegte über die Wiese,
und das Heu wirbelte haushoch in die Luft. Da war auch eine einfältige
Dirne auf der Wiese, die faßte ihren Rechen und schlug wütend
in den Wirbelsturm, und dabei schrie sie so entsetzlich, daß man
glauben mochte, sie wäre nimmer recht bei Trost. Als der Bursche
unbändig auflachen mußte über die Züchtigung, die
dem Wirbelsturm da zuteil wurde, schaute die Magd verwundert zu ihm herüber;
es war ihr, als ob es beim Nachbarn heute nicht ganz richtig sei. Auf
die Frage, warum sie so wütig in die Luft haue, gab sie zur Antwort:
"Du tust heute, als ob du es nicht schon längst wüßtest,
daß in einem solchen Wirbel immer eine Hexe ist."
Quelle: Heyl, Johann Adolf, Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, Brixen 1897, S. 677