ZWEI WEIßE TAUBEN BESTIMMEN DEN BAUPLATZ
Als man das Jahr 1241 schrieb, da begab es sich, daß Graf Albrecht, der letzte Graf von Tirol, und seine Gemahlin, eine Königstochter aus Schottland, am Fenster des Schlosses Tirol saßen und eben überlegten, wo sie denn das Kloster erbauen sollten, dessen Stiftung sie sich schon lange vorgenommen hatten.
Während sie so saßen und überlegten, geschah es, daß zwei weiße Wildtauben lange Zeit über Meran hin- und herflogen und sich endlich auf dem Dach des Schlosses Tirol niederließen. Der Graf und seine Gemahlin hatten die beiden Tiere schon lange beobachtet, und sie glaubten, dies sei eine Mahnung Gottes, ihr frommes Vorhaben endlich in die Tat umzusetzen. Und so beschlossen sie, den Flug der beiden Tauben weiter zu verfolgen, und wo sie sich niederlassen würden, dort sollte das Kloster entstehen.
Bald darauf erhoben sich die beiden weißen Tauben vom Dach auf Schloß Tirol und kreisten wiederum lange Zeit hoch über Meran hin und her. Endlich, nach langem Fliegen und Schweifen, senkte sich das Taubenpärchen allmählich hinab und ging schließlich eine halbe Meile außerhalb von Meran, unweit von Algund, im Felde nieder, und zwar gerade bei dem Häuschen eines Einsiedlers, der dort in Steinach wohnte.
Als der Graf und die Gräfin hoch oben auf Schloß Tirol dies
sahen.. waren sie sehr froh, sie erwarben das Häuschen und den Garten
des Einsiedlers und den Grund ringsum und begannen noch im selben Jahr,
dort das Kloster Maria Steinach zu erbauen.
Quelle: Wolkenstein, Marx Sittich von, Landesbeschreibung von Südtirol. Verfaßt um 1615, herausgegeben als Schlern-Schrift Nr. 34, Innsbruck 1936. S. 169