DER MOASER STUDENT

In Mais lebte ein Student, welcher die Schwarzkunst erlernte und mit dem Teufel einen Pakt schloß. Solang er mit der Erde in Berührung war, ja auch nur hinter den Fingernägeln noch ein bißchen Erde hatte, besaß er alle Kräfte und konnte sich sogar unsichtbar machen.

Der Ruf von seinen Künsten breitete sich in der ganzen Gegend aus, und viele gingen ihn um seine Hilfe an. So kam einmal ein Bauernknecht zu ihm, dessen Sense nie recht schneiden wollte, damit der Student seiner Sense eine ordentliche Schneide verschaffe. Und wirklich, der Schwarzkünstler gab dem Knecht etwas, das aussah wie ein Stücklein Pech, und sagte: "Bestreich damit deine Sense, doch gib acht, daß du den andern nicht zu nahe nachmähst, sonst würden Blutstropfen an deiner Sense sich zeigen." Der Knecht fand bald Gelegenheit, die Schneide seiner Sense zu erproben. Und siehe da, die Sense schnitt derart scharf, daß die Arbeit mit einer nie gesehenen Leichtigkeit vonstatten ging! Wohl erinnerte er sich der Worte des Hexenmeisters, den andern nicht zu hart nachzusetzen, doch er mähte flink darauf los. Seine Vormähder waren in Schweiß gebadet, konnten ihm aber, trotz der größten Anstrengung, nicht entrinnen. Da erschienen dunkelrote Blutstropfen auf der Sense und rannen nieder in das grüne Gras.

Endlich dachte sich einer der Vormähder: "Wart, ich will dir deine Schneide schon nehmen." Unbemerkt steckte er in die Mahd des Knechtes einen Dengelstock, daß sich der flinke Mähder daran die Schneide verdürbe. Dieser mähte ruhig weiter und schnitt, auch nur ohne etwas zu merken, den Dengelstock wie einen Halm mitten entzwei. Seine Sense aber war von Blut ganz rot gefärbt.

Einmal hatten die Paulsner den Moaser Studenten schwer erzürnt, weil sie ihn nämlich gefangengesetzt hatten, und der Student wollte an ihnen bittere Rache nehmen. Er ging auf den Berg oberhalb St. Pauls hinauf und wollte den ganzen Gantkofel (die "hohe Wand") auf das Dorf niederstürzen und alles mit Maus und Mann zerschmettern und begraben. Schon schob er hinter dem Felsen aus aller Kraft, schon tat eine gewaltige Kluft sich auf und rollten die ersten Steine zu Tal - da schlug die große Glokke von St. Pauls an! Als nämlich die Bewohner merkten, was Furchtbares sie bedrohe, liefen sie voll Schrecken in den Turm und begannen Sturm zu läuten. Augenblicklich mußte der Schwarzkünstler von seinem Werk ablassen. Er selbst gestand später öfters: "Hätte die große Glocke nur eine Sekunde später geklungen, so wäre die ganze Wand niedergedonnert; so aber mußte ich leider weichen." Noch heute ist droben die tiefe Kluft sichtbar und erinnert die Leute an die Arbeit des Moaser Studenten. Einmal saß er im Wirtshaus von Mais; es war gegen 12 Uhr mittags. Da sagte er zum Wirt: "Ich muß jetzt nach Innsbruck, um mit den Herren zu Mittag zu speisen." Gesagt, getan! Er bestieg einen Bock, der gerade da war, und man sah ihn dann auf demselben über Berg und Tal davonreiten. Und er traf wirklich noch rechtzeitig in Innsbruck ein und speiste dortselbst zu Mittag.

Endlich nahm man den Hexenmeister neuerdings gefangen und stellte es so an, daß er nicht mehr auskam. Als man ihn zum Galgen führte, zeigte er auch keine Furcht oder Reue, sondern sagte nur: "Die mir vom Teufel gegönnte Zeit ist abgelaufen; macht nur vorwärts, ich muß noch mittags beim Teufel zu den Knödeln zurechtkommen!" Als er gestorben war, wurde sein Leib kohlschwarz, ein Zeichen, daß seine Seele zur Hölle gefahren war.

Quelle: Heyl, Johann Adolf, Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, Brixen 1897, S. 537 - 540