BESTRAFTER SPAß
Bis zum Überschwemmungsjahre 1850 lagen In der offenen Turmhalle des Magdalena-Kirchleins in Gratsch zwei lebensgroße hölzerne Heiligenstatuen, die Maria und Johannes Ev. darstellten. Einmal faßte ein junger Knecht des Kircherbauern den Plan, den hl. Johannes in der Nacht zum Huberbauern zu tragen und ihn dort vor das Fenster der Mädchenkammer zu lehnen. Anfangs kam ihm der Heilige, den er auf der Schulter trug, ganz leicht vor. Wie er aber über den Friedhof hinaus war und über den "Gröben" ging, wurde der Heilige mit jedem Tritte schwerer, so daß er ihn nach wenigen Schritten kaum mehr ertragen konnte. Den Heiligen wegzuwerfen, wagte er nicht. Da fing er an zu beten und kehrte eilig um; da wurde der Heilige immer leichter, und er konnte ihn ohne Mühe wieder dorthin bringen, woher er ihn genommen hatte.
Ein anderes Mal trug ein Knecht vom Huberbauer denselben Heiligen in
der Nacht durch den Moarberg, um ihn beim Walknerbauer durch das Fenster
der Mädchenkammer hineinschauen zu lassen. Während er damit
durch den Berg hinaufstieg, sah er auf einmal einen großen, schwarzen
Hund mit glühenden Augen, der in immer kleineren Kreisen um ihn herumlief,
so daß er sich nicht mehr vorwärts und rückwärts
traute. Zum Glück hatte er eine hochgeweihte Jerusalem-Bete bei sich,
mit der er dem Hund, als er ihm nahe genug kam, auf den Rücken schlug,
daß weitum die Feuerfunken stoben. Der Hund lief heulend davon,
der Knecht aber trug reumütig den Heiligen wieder zurück. (Gratsch.)
Quelle: Zingerle, Ignaz Vinzenz, Sagen aus Tirol, 2. Auflage, Innsbruck 1891, Nr. 831, S. 487