MÄDCHENGESTALT AM KALMBACH

An den Sonntagen in der Fastenzeit, sieht man am Kalmbach, da, wo er sich in die Passer ergießt, ein blasses Mädchen sitzen und traurig nach den letzten Strahlen der Abendsonne blicken. Wenn diese verschwinden, wäscht jener Geist sich hastig einen Blutfleck von der Wange, der jedoch nicht vergeht, obgleich das abrinnende Wasser wie Blut gefärbt ist. Dann fängt die Gestalt an zu seufzen und zu weinen und steigt um Mitternacht in das höhere Tal hinauf. Niemand kennt den Grund, weshalb dieses Mädchen hier so büßen muß.

Quelle: Alpenburg, Johann Nepomuk Ritter von, Mythen und Sagen Tirols. Zürich 1857. S. 203