SALTAUS, EIN ALTES MÖRDERHAUS
Es gingen zwei Wanderer aus dem Inntal über den Jaufen nach Meran. In Saltaus machten sie bei einem Glas Wein aus, sich hier an einem bestimmten Tag auf dem Heimwege wieder zu treffen. Hierauf nahmen sie voneinander Abschied. der eine ging nach Schenna, der andere nach Meran.
Der letztere kam am Vorabend des für ihre Zusammenkunft genannten Tages richtig in Saltaus an und wurde in eine Schlafkammer geführt, deren Geruch ihn erschreckte. Mit Grausen wurde er eines Leichnams gewahr, der mit zerschmettertem Kopfe unter dem Bette lag. Schnell begriff er das Gefährliche seiner Lage. Mit Fassung richtete er dem Toten die Kopfsplitter wieder zurecht und legte ihn ins Bett mit dem Leintuche über dem Kopf, während er selbst seine Stelle unter dem Bett einnahm.
Um Mitternacht erschien der Wirt mit einem Beil, seine Tochter hinterdrein mit einem matten Kerzenlicht; ohne viele Umstände schlug der Wirt dem Mann die Hirnschale ein und entfernte sich wieder, ohne die List zu merken. "Vater", bemerkte die Tochter, "der heutige war auf den ersten Schlag tot, ohne Grimassen zu machen wie der gestrige." - "Ich hab ihn eben gut getroffen", sagte der Wirt kalt und warf die Tür zu.
Am andern Morgen kam der Wandergenosse von Schenna zurück und pfiff
verabredetermaßen vor dem Wirtshaus. Nun wagte sich der Versteckte
hervor und zeigte die Sache bei Gericht an. Die Wirtsleute wurden nun
eingezogen und mit dem Schwerte hingerichtet. Seit jener Zeit ist weit
und breit der Spruch bekannt: "Saltaus ist ein altes Mörderhaus."
(Passeier und Meran.)
Quelle: Zingerle, Ignaz Vinzenz, Sagen aus Tirol, 2. Auflage, Innsbruck 1891, Nr. 1005, S. 576