DAS MÄDCHEN AUF DEM SCHEITERHAUFEN

Einmal ging in einer stockfinsteren Nacht ein Bauer taleinwärts nach St. Leonhard. Als er hinter dem HL-Grab-Kirchlein bei der Wegscheide in die Wiesen kam, bemerkte er plötzlich ein kleines Licht in der Ferne, das aber immer größer und größer wurde, und als sich der Mann der Kapelle, wo die Totenrast ist, näherte, loderte auf einmal ein Feuer, wie ein Scheiterhaufen, in die Höhe.

Verwundert blieb der Mann stehen und sah nun eine schöne junge Frau, die mit über der Brust gekreuzten Armen auf dem Scheiterhaufen in den Flammen lag. Da tat er vor Schreck einen Schrei - und im Nu waren Feuer und Mädchen und Scheiterhaufen verschwunden, und es herrschte wieder die schwärzeste Dunkelheit.

Quelle: Zingerle, Ignaz Vinzenz, Sagen aus Tirol, 2. Auflage, Innsbruck 1891, Nr. 474, S. 267 (Die Frau im Feuer)