DER HARTMANNSBRUNNEN IN ANTHOLZ

Es waren einmal etliche Ritter, die nahmen viel gottloses Volk zu sich und ritten im Wald hin und her, und hätten sie den frommen Bischof Hartmann von Brixen gefunden, sie würden ihn ausgeraubt und erschlagen haben. Denn sie hatten wohl Kunde, daß er des Weges daher durch den Wald zöge. Sie konnten aber nicht an ihn kommen, denn zuhand verhängte unser Herr, daß seinem lieben Diener, dem seligen Bischof, davon Botschaft wurde. Da erschrak er und floh seitwärts in das Tal Antholz, wo er sich zu Sankt Georg im Turm verborgen hielt, bis es Gott fügte, daß das übeltätige Volk sich wieder von dannen hub. Als der fromme Bischof den Turm verlassen hatte, fanden die Leute ein scharfes, eisernes Kettlein im selben, damit kasteite er täglich seinen bloßen Leib. Und das Kettlein tat hernach viel Zeichen von des Bischofs Heiligkeit an allen Menschen, die sein begehrten.
Zu jener Zeit nun, da der Bischof aus dem Turm ging, da wurden er und sein Diener von großem Durste geplagt. Und der selige Mann sprach alsbald sein Gebet zu Gott und erwarb um ihn, daß an einer dürren Statt ein fließender Brunnen entsprang, und war vorher nie einer da gewesen. Da wurden sie gar froh und tranken des Wassers und dankten Gott seiner Gnaden. Der Brunnen springt noch heute und heißt von dem seligen Bischof der Hartmannsbrunnen. Er ist nahe bei der St.-Georgs-Pfarrkirche.

Quelle: Heyl, Johann Adolf, Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, Brixen 1897, S. 559 f.