DER BÄRENJÄGER IN PUTZACH

Im Seberstöckl zu Rein in Taufers ist ein Gemälde, welches eine Szene im wildromantischen Putzach darstellt. Auf einer Felskante steht ein Jäger einem aufgerichteten Bären gegenüber, und rechts klettert ein Bursche mit Gewehr herzu und will schon zum Schuß ansetzen. Darüber ist ein Muttergottesbild. Unten steht: Jakob Plankensteiner, Jager und Unterseber in Rain 1699.

Hierüber erzählen die Leute folgendes: Ein alter Seber, ein kühner Nirnrod vor dem Herrn und als solcher weitum bekannt, zog einstmals auf die Jagd. Er klettert eine Felswand hinan und steht oben auf schmaler Felskante plötzlich einem entsetzlichen Bären gegenüber, der sich bereits aufrichtet, den ungeladenen Besucher mit Umarmung zu begrüßen. Der Jäger sieht wohl, daß er zum Anlegen des Gewehres weder Raum noch Zeit hat, wirft daher den Stutzen fort und schickt sich an, mit dem Tier zu raufen. Zugleich ruft er seinem Sohn, der ihm zu Hilfe über die Felsen herüberklettert, zu, er solle ja das Schießen bleiben lassen, sonst könne er den falschen treffen.

Nachdem sodann beide, der Jäger und der Bär, sich eine Zeitlang fest umklammert gehalten, scheint beiden der Gedanke gekommen zu sein, daß diese Umarmung zu gefährlich werden könnte, und sie ließen beide zugleich los. Der Bär schaute den Jäger noch eine Weile an und zog sich dann in seine hinten liegenden Felsgemächer zurück; der Jäger aber, der ebenfalls froh war, dem andern so leicht entronnen zu sein, ließ ihn ungestört gehen.

Quelle: Heyl, Johann Adolf, Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, Brixen 1897, S. 604 f.