DIE HEILIGGRABKAPELLE IN SPINGES

Diese ließ der Herr Jörg neben der Kirche nach dem Muster jener von Jerusalem erbauen. Zu diesem Zwecke pilgerte er ins Heilige Land, um sich die Pläne für sein Bauvorhaben zu besorgen. Als er mit den notwendigen Zeichnungen ausgerüstet heimgekehrt war, stieg er den Spingeser Berg hinan und rastete am ölberg unter den großen Föhren. Noch heute laden dieselben neben dem Stöckl schattenspendend zur Rast ein.

Pfarrer Stocker war hochbefriedigt, wieder in seinem Seelsorgeort eingelangt zu sein. In Gedanken versunken, nahm er noch einmal die von Jerusalem mitgebrachten Pläne zur Hand und sichtete sie aufs neue. Bald würde er mit dem Bau beginnen können. Er legte die Papiere neben sich auf den Boden und schaute hin übers weite Land. All diese Dörfer würde sein einzigartiger Bau grüßen, und unzählige Pilger mochten nach Spinges kommen, um sich an seinem Werke zu erbauen.

Der Teufel aber, der schon lange gegen den Bau der Kapelle gewesen war, nützte die Geistesabwesenheit des Pfarrers und stahl die Pläne. Alles Suchen war vergeblich, und es blieb dem Priester nichts anders übrig, als eine zweite Reise nach Palästina anzutreten. Das Unheil wollte es aber, daß ihm auch diesmal auf der Heimreise die Pläne verlorengingen. So trat der unermüdliche Pfarrer eine dritte Fahrt nach Jerusalem an. Diesmal brachte er die Zeichnungen glücklich bis nach Spinges und konnte mit dem Bau, der uns in seiner Eigenart noch heute überrascht, beginnen.

Quelle: Fink, Hans, Eisacktaler Sagen, Bräuche und Ausdrücke. Schlern-Schrift Nr. 164, Innsbruck 1957, S. 116