DIE PEST IN TAUFERS

Vor alten Zeiten hauste in Taufers die Pest so fürchterlich, daß fast alle Bewohner des Tales starben. Selbst die Geistlichen fielen sämtlich der Seuche zum Opfer. Man wollte daher die Kapuziner von Bruneck hereinholen, allein auch das dortige Kloster war ausgestorben, und die Tauferer würden alle ohne Sakramente gestorben sein, wären nicht zuletzt die Franziskaner von Innichen gekommen und hätten den Leuten beigestanden. Seit dieser Zeit haben dieselben in Taufers und Ahrn das Recht der Almosensammlung. Die Leute starben ganz schnell; am Morgen waren sie noch gesund und am Abend begraben.

Wo eines erkrankte, liefen die Gesunden vom Haus weg, und dem Kranken reichten sie die Nahrung beim Fenster hinein. Viele Leichen blieben daher in den Häusern liegen, weil niemand sich hineingetraute. Der Pestfriedhof liegt zuhinterst in Taufers gegen Winkel und Rein hin, dort sind viel tausend begraben, denn viele Häuser starben ganz aus. Nur der Ort Winkel blieb von der Pest verschont; dort starb niemand. Es gab wohl ein Mittel gegen die Seuche; der Spruch lautet:

"Hättest du getrunken Bibernell,
warst du gestorben nicht so schnell;
hättest du gessen Baldriun
warst du kommen ganz darvun."

Aber die Leute wandten statt dieser Mittel falsche an.

Quelle: Heyl, Johann Adolf, Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, Brixen 1897, S. 600 f.