SAGE VOM URSPRUNG DER SCHWEFELQUELLE IN RAMWALD

Im Bad Ramwald ober Montal bei Bruneck lebte vorzeiten ein Badwirt, der niemandem gut war als nur seinen Gästen. Er wußte sonst von jedermann etwas Böses zu erzählen und lebte auch mit seinen Nachbarn in beständigem Unfrieden. Er hatte seine Freude daran, seinen Gästen des Abends in der Gaststube recht viel Erlogenes aufzutischen, und es verging kein Tag, ohne daß er irgend jemanden verunglimpfte. Wenn es den Gästen dann zu arg wurde und sie sagten: "Das ist offenbar erlogen", dann wurde der Wirt zornig und rief: "Wenn das nicht wahr ist, soll mich der Teufel holen", oder "dann soll mich der Boden verschlingen". Nun lebte aber dazumal im benachbarten Onach ein gar würdiger Seelsorger, der allen Menschen Gutes tat. Aber der Wirt konnte ihn nicht wohl leiden, weil der geistliche Herr einmal gepredigt hatte, daß das lange Sitzen im Wirtshaus nichts tauge. Eines Abends ging in der Gaststube des Badhauses das Gespräch von dem würdigen Manne, den jeder gerne hatte; nur der Badwirt schaute finster drein, und als ihn einer der Gäste anredete: "Was schaut Ihr so finster, Herr Wirt? Ihr seid doch auch recht zufrieden mit dem Herrn Kuraten, gibt es doch landaus, landein keinen würdigeren Geistlichen" - da zog der Wirt vom Leder und gab ein böses Stücklein vom Kuraten zum besten, das rein erlogen war.

Die Gäste aber riefen: "Das ist nicht wahr, dem guten Herrn geschieht Unrecht!" Darauf sagte der Wirt: "Wenn es nicht wahr ist, soll mich sogleich der Boden verschlingen." Aber kaum war es gesprochen, da tat sich der Boden auf und verschlang ihn! An derselben Stelle, wo der Verleumder in die Erde gefahren war, kam ein Wasser zum Vorschein, das lauter Schwefel führt und nach faulen Eiern schmeckt. Das Brünnlein fließt in Ramwald noch heute.

Quelle: Heyl, Johann Adolf, Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, Brixen 1897, S. 652