DIE WEINENDEN SCHATZHÜTER

Einmal gehen drei in aller Früh von Rein heraus auf den "Stöga Marscht" (Stegener Markt). Zwei sind beieinander, der dritte ist ein Stück dahinter. Am Burgweg heraußen, in der Nähe der Ruine auf dem Tobel, sehen si einen Kessel voll Geld, und rings um den Kessel sitzen Menschen, die alle ihre Schneuztüchlein in Händen haben und bitterlich weinen.

Die beiden vorderen Bauern bleiben ein wenig stehen, bis auch der dritte bei ihnen ist, und sie schauen einander nur so groß an. Endlich sagte einer: "Geh'n wir zurück!" "Nein", erwiderte ein anderer, "geh'n wir untenbei für!" Der dritte sagt: "Es soll sie einer anreden; ich aber getrau' mich nicht." Auch die andern getrauten sich nicht, und so gingen sie vorbei, ohne sie anzureden. Als sie vorüber waren, hörten sie die Leute um den Kessel laut aufheulen, wie im bittersten Schmerz.

Quelle: Heyl, Johann Adolf, Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, Brixen 1897, S. 637