ST. WOLFGANG IM REINTAL

Einmal begab sich der hl. Bischof Wolfgang auf die Reise ins Gebirge und wollte ins Reintal. Der Weg hinein war aber hart und grob, also daß der Heilige nicht wußte, ob er weitergehen oder umkehren solle, denn er war von der langen Reise müde geworden.

In dem kam der Satan und sprach: "Willst du einen guten Weg haben, so setz' mir deine Seele daran!" Da war der Bischof gar froh und sagte: "Was aber setzt du daran?" Und der Teufel erwiderte: "Ich will dir den Weg die Gänze durchs Tal hinein pflastern, und du magst so schnell gehen, als dir möglich ist; kommst du mir voran, so habe ich das Pflaster umsonst gelegt, und es soll dir und deinen Brüdern fortan verbleiben und nützen; kannst du mich aber nicht überholen, dann gewinne ich, und du sollst mein Bruder in der Hölle sein.

Des war der Bischof zufrieden und der Satan noch mehr, denn er dachte sich, der Bischof kann nicht so schnell gehen. Also zog er seine Kunst aus und warf mit solcher Unmuße die Steinplatten auf den Weg, daß der Bischof hinterdrein genug zu laufen bekam. Da, an einer Stelle, gedachte er, dem Satan vorzukommen, weil er schier bei ihm war; darum nahm er einen so starken Anlauf, daß sein Fuß in den Stein stieß, als träte er auf Wachs, aber der Teufel gewann ihm's ab und hatte im Augenblick wieder einen Vorsprung. Das betrübte den Bischof sehr, und keuchend lief er weiter. Zum andernmal kam er dem Teufel nahe und wollte schnell beifür laufen; aber siehe da, die Platte, welche ihm zum Anlauf diente, stand schräg, der Fuß glitt ihm aus, und das Knie schlug also hart auf, daß es in den Stein drang, als wär' er von weichem Lehm.

Indem war der Teufel wieder etliche Klafter voran und lachte über den Bischof. Dieser bekam große Angst und verlor völlig seine Kraft und rief in seinem Herzen unseren Herrn an. Und als er eine Weile mit ganzem Fleiß gebetet hatte, machte er sich wieder auf, dem Teufel nach. Er lief so schnell, daß er bald hinter ihm war und schrieb mit seinem Stecken ein Kreuz in das Pflaster. Davon erschrak der Teufel und zitterte am ganzen Leibe. Das nutzte der Heilige, tat geschwind einen starken Sprung und kam dem andern vor!

Da fuhr der böse Geist mit Rauch und Gestank davon, der Bischof aber war seines Gewinnes gar froh an dem Pflaster der armen Bauern wegen, die nun ihren guten Weg ins Tal hatten. Die drei Eindrücke des hl. Bischofs Wolfgang aber, der Fuß, das Knie und das Kreuz, sind noch heute in den Pflastersteinen des Reiner Talweges zu sehen.

Quelle: Heyl, Johann Adolf, Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, Brixen 1897, S. 557 - 559