DER WINTERSENNER
Bei gutem Schneewege gingen einst die Wieserknechte von Meransen in die Seefelder Alm, um Bergheu heimzufahren. Etwas oberhalb der "Buhne" (gebahnter Schneeweg) im Pranterberg hörten sie aus dem sogenannten Wieser-Kasten, einer Schupfe, wie jemand Butter stieß. Und obwohl sie wußten, daß außer ihnen sich keine Seele auf Seefeld befinden konnte, schrie einer der Heubringer hinauf: "Hoi, Wintasenna, gib's bal' a Küblmilch?"
Eine Stimme antwortete: "Erscht bal' es hinta (zurück) kemmb!" In der Tat stand bei der Rückfahrt ein altes Sennerle mit einer Schüssel voll Kübelmilch am Weg und reichte dieselbe demjenigen, der sie zuvor begehrt hatte.
Der Meransner trank sie widerwillig leer. Ihn ekelte vor der von Schmutz
starrenden Milchschüssel. Im gleichen Augenblick war das Sennerle
verschwunden, seine Stimme aber rief: "So lang han i gemießt
Wintasenna mach'n, bis mir oander die Küblmilch onimmb, de i mei
Lebba (Lebtag) verschüttet han. Jetz bin i derleast!"
Quelle: Fink, Hans, Eisacktaler Sagen, Bräuche und Ausdrücke. Schlern-Schrift Nr. 164, Innsbruck 1957, S. 102