DER WILDE MANN AUF DEM RITTEN
Hinter den Rittner Almen, wo in alter Zeit Reben wuchsen, hielt sich ein wilder Mann auf, der weitum wegen seiner Stärke gefürchtet wurde. Bei Tag tat er keinem Menschen ein Leid, aber nach dem Betläuten abends war niemand vor ihm sicher. Das verleidete die Umwohner und sie wollten seiner los werden. Aber jedes Mittel war vergebens. Da gab ihnen ein alter Hirt den Rath, bei einbrechender Nacht ein großes Feuer zu machen und halbe Eierschalen um dasselbe zu stellen, als ob es Häfen seien. Sie thaten dies. Als es dunkelte und der Wilde das Feuer sah, ging er zu demselben und beim Anblicke der Eierschalen sagte er:
"Ich denk' dich dreimal als Wies,
Ich denk' dich dreimal als Weingart
Und dreimal als Wald,
Aber so viel Hafelen bei einem Feuer
Hab' ich mein Lebtag nit g'seh'n!"
Dann ging er brummend fort und wurde nimmer erblickt. (Lengmoos.)
Quelle: Sagen aus Tirol, Gesammelt und herausgegeben von Ignaz V. Zingerle, Innsbruck 1891, Nr. 187, Seite 115