DIE GEISTLICHEN HERREN BEGEGNEN DEN HEXEN
Früher mußten die geistlichen Herren von Unterinn öfters
nach OberboZen hinaufsteigen, um dort Messe zu lesen. Nun sagten die Leute,
daß es beim Wolfsgrubner See unheimlich sei; bald höre man
ins Horn stoßen, bald ein Klingeln, wie von Geißschellen,
und doch sehe man nichts davon. Einmal hörte der Kooperator wieder
das Schellengeklingel dort, und alsbald tauchte eine ganze Herde von Ziegen
hinter ihm auf und vor ihm, als ob es da oben einen Viehmarkt gäbe,
und die meckernden Tiere gaben dem Herrn das Geleit. Ein Hirte war nicht
dabei. Bald darauf knatterte es im Holz, ein Schwarm von Hexen kam hervor
und umringte den Geistlichen. Sie warfen Steine auf ihn und Baumäste
und versperrten ihm den Weg. Als der Kooperator seinen Bannsegen sprach,
gerieten die Hexen in ein unbeschreibliches Durcheinander, stoben sodann
heulend und pfeifend davon und warfen sich dabei gegenseitig die Briefe
an die Köpfe, worin ihr Pakt mit dem Satan geschrieben stand. Auch
die Ziegen waren augenblicklich bei Laub und Staub verschwunden. Auf dem
Heimweg wiederholte sich nicht selten das Spiel, bis endlich die Hexen
einmal vom Pfarrer auf den Schlern hinübergebannt wurden.
Quelle: Heyl, Johann Adolf, Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, Brixen 1897, S. 299