DER OBERWIRT IN WELSCHNOFEN MACHT SEINE NEBENBUHLER GEFROREN
Der Oberwirt in Welschnofen, der freilich schon lang vor Menschengedenken
verstorben ist, war ein Schwarzkünstler; er hatte seine Kunst auf
der hohen Schwarzschule am Kreuzweg gelernt, wo man von Welschnofen nach
Steinegg geht, auf dem Taltbühel. In der Hexenzunft besaß er
großes Ansehen, und jedermann fürchtete ihn mit Recht, denn
er verstand die überaus vorteilhafte Kunst, die Leute gefroren zu
machen, d.h. an einer Stelle festzubannen, daß sie sich nicht mehr
rühren und somit auch nicht mehr gehen konnten.
In Deutschnofen hatte der Oberwirt seine Braut, ein bildschönes Ding;
die besuchte er manchmal, es wird nicht allzu selten gewesen sein. Darob
wurden die Deutschnofner Burschen, als sie davon gehört hatten, teufelswild,
denn sie wollten nicht, daß ihre Mädchen auswärtige Mannsleut'
heiraten, sie wollten sie lieber selber, und am allerwenigsten gönnten
sie das bildschöne Ding mit dem Goldhaar und dem Himmel in den Augen
dem "Zigeuner" dort, wie sie den Welschnofner Wirt schimpfweise
betitelten. Einmal paßten sie ihm auf und wollten ihm das Wiederkommen
aus dem Schädel schlagen; es waren ihrer etwa ein Dutzend.
Richtig, da ist der Wirt schon; heute ging er früher wieder heimwärts,
als gewöhnlich. Und sie liefen ihn mit Geschrei und grimmigen Schlägen
an. Er aber holt mit seiner nervigen Faust weit aus, und wie sie niedersaust,
taumeln rechts ihrer sechs und links wieder ihrer sechs zu Boden, also
daß der Wirt mitten durch sie hindurchging. Sie wären gerne
wieder aufgestanden und hätten ihren Angriff noch stärker wiederholt,
allein, sie konnten sich nimmer von der Stelle rühren. Der Wirt hatte
sie gefroren gemacht, und sie mußten ihn ziehen lassen. Diese Kunst
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Quelle: Heyl, Johann Adolf, Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, Brixen 1897, S. 426