DER NECKGEIST AUF DER SEISER ALM

Auf der Seiser Alm trieb vor vielen Jahren ein Neckgeist sein Unwesen. Er foppte und plagte die Hirten und Mäher auf allerlei Weise. Ein Hauptvergnügen aber machte ihm das Umwerfen der Heuschober. Wenn die Leute am Aufstellen dieser Heuschober sich müde gearbeitet hatten und schliefen, kam gewiß der boshafte Neckgeist daher und warf die Schober der Reihe nach um.

Als dies wieder einmal geschehen war, sagte ein pfiffiger Knecht: "Wartet, wir wollen das Heu wieder geduldig aufschobern, als ob nichts gewesen wäre, in den Schobern aber die Sensen verstecken!"

Gesagt, getan. Nachts kam wieder der Neckgeist und lachte, als er die Schober wieder aufgestellt sah, daß es weithin gehört wurde. Wie er aber den ersten Heuschober umwerfen wollte und dabei an die Sense kam, merkte er die List und schrie so kläglich, daß es einem durch Mark und Bein ging:

Ich bin so grau, ich bin so alt
und denk die Seiser Alm
schon neunmal Wies und neunmal Wald;
nun aber geh' ich fort
von diesem Ort,
und nimmermehr
komm ich her!

Er hielt auch Wort und wurde auf der Seiser Alm seitdem nie wieder gesehen. (Ritten.)

Quelle: Zingerle, Ignaz Vinzenz, Sagen aus Tirol, 2. Auflage, Innsbruck 1891, Nr. 119, S. 73