DAS GOLDENE KEGELSPIEL VON HOCHEPPAN
Einige Hirtenbüblein, welche in der Nähe der Burgruine Hocheppan ihre Ziegen weideten, begaben sich eines Tages aus Neugier in die Burg hinauf. Sie stöberten im Hof herum und fanden eine alte, verrostete Eisentür, die sich nach langer Mühe öffnen ließ. Dahinter war ein langer, finsterer Gang.
Neugierig krochen sie durch denselben und stießen auf eine zweite Tür, welche nach heftigem Rütteln ebenfalls aufging. Da kamen sie in ein geräumiges Gewölbe und erblickten darin längs der Wand ein goldenes Kegelspiel. Die Buben waren darüber hoch erfreut und machten sich schon daran, die goldenen Kegel und Kugeln hinauszutragen. Da auf einmal krachte das Gemäuer, als ob es zusammenstürzen wollte, zugleich erbebte der Boden, und die Büblein erschraken darob so sehr, daß sie mit Hast den Ausgang zu gewinnen suchten. Allein, da es mittlerweile in St. Pauls schon Abend geläutet hatte, konnten sie den Ausgang nicht mehr finden und irrten voll Entsetzen im dunklen Gang herum.
Sie hatten in ihrer Furcht das Kegelspiel wieder fallen lassen; hätten
sie dasselbe mit sich genommen, wäre ihnen nichts geschehen und sie
würden damit leicht den Ausgang haben finden können. So aber
mußten sie bis zum nächsten Betläuten in der Höhle
bleiben; erst am andern Morgen gingen die eisernen Türen wieder auf
und sie konnten ins Freie gelangen. Das goldene Kegelspiel aber verschwand
wieder und wurde bis zur Stunde von keinem Menschen mehr gesehen.
Quelle: Heyl, Johann Adolf, Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, Brixen 1897, S. 506