DER BÜßENDE HERDER
Auf der Valkamaier Alm war vor vielen Jahren ein böser Herder, der
das arme Vieh auf der ganzen Alm herumsprengte und es nicht einmal genug
fressen ließ. Manches Stück jagte er über die Felswände
hinaus, daß es jämmerlich erfiel. Diese Sünden und Schulden
muß er nun auf derselben Alm abbüßen. Wenn die Weidezeit
vorüber ist, geistert er in der Kaser herum. Als unlängst ein
Jäger auf der Alm übernachtete, hörte er plötzlich
Geschrei und Peitschengeknall. Verwundert darob, stand er auf und sah
nach dem Lärm um; da erblickte er den feurigen Herder, der mit einer
langen Peitsche gespenstiges Vieh auf dem Weideplatz herumhetzte und endlich
über die Felswände hinaussprengte. Es war augenscheinlich der
böse Herder. (Ulten.)
Quelle: Zingerle, Ignaz Vinzenz, Sagen aus Tirol, 2. Auflage, Innsbruck 1891, Nr. 393, S. 228