TOTENMESSE IN DER PETERSKIRCHE

In Auer lebte vor vielen Jahren eine fromme alte Frau, die gewohnt war, frühmorgens beim ersten Glockenzeichen in die Kirche zu gehen. Einst hörte sie gar früh läuten und ging alsbald zur Peterskirche, woher die Glocken klangen. Als sie hinkam, stand die Tür sperrangelweit offen und die Kirche war mit unzähligen Betern dicht angefüllt; darunter waren einige verstorbene Anverwandte.

Auer, St. Peters Kirche, © Dietrich Feil

Auer, St. Peter, Grabstein
© Dr. Dietrich Feil

Eine von diesen trat auf sie zu und sagte, sie solle den Gottesdienst der Toten nicht stören und beim Weggehen auf dem Friedhofe ein Stück ihres Kleides zurücklassen. Dann gab sie ihr eine brennende Kerze in die Hand. Die alte Frau packte kalter Schauder, und sie wünschte sich weit über Berg und Tal; bald ging sie deshalb aus der unheimlichen Kirche und ließ auf dem Friedhof den Unterrock fallen. Am folgenden Tage fand sie denselben in viele kleine Stücke zerrissen, die auf den Gräbern herumlagen. Die Kerze, welche sie mit nach Hause genommen hatte, aber war ein Totenbein. Die alte Frau hatte der Schreck so angegriffen, daß sie in drei Tagen starb. (Auer und Tramin.)

Quelle: Zingerle, Ignaz Vinzenz, Sagen aus Tirol, 2. Auflage, Innsbruck 1891, Nr. 482, S. 269