DIE VERSUNKENEN GLOCKEN
In alter Zeit stand zu Tarsch, dem gesegneten Dorfe bei Latsch, eine Kirche, in deren Turm zwei wunderbare Glocken hingen. Ihr Klang vertrieb die Wetter und erhob jedes Menschenherz.
Da brach aber einmal die Lahn los und überschüttete Häuser und Höfe, Kirche und Turm. Die Einwohner waren froh, daß sie ihr Leben retteten. Als aber die Lahn ruhte und nichts mehr zu befürchten war, kehrten die Einwohner an die überschüttete Stelle zurück und fingen an zu graben, denn sie wollten die zwei Wunderglocken um jeden Preis wieder bekommen.
Sie gruben deshalb spät und früh und wurden der Arbeit nicht müde. Da waren sie endlich den Glocken so nahe gekommen, daß ein Bauer mit seiner Hacke eine Glocke traf, und sie tönte. Als er dies hörte, rief er in freudiger überraschung aus: "Hab' ich dich endlich, Verfluchte!" Kaum war dies seinem Munde entfahren, da erklangen beide Glocken gar wehmütig und versanken immer tiefer und tiefer, so daß kein Graben und kein Beten sie mehr ans Tageslicht bringen konnte. (Latsch.)
Hier der Glockenturm des romanischen Kirchleins St. Karpoforus in Tarsch
(Latsch)
© Berit
Mrugalska, 10. Juli 2004
Quelle: Zingerle, Ignaz Vinzenz, Sagen aus Tirol, 2. Auflage, Innsbruck 1891, Nr. 625, S. 354