DER UNTERGANG DER BURG KASTELLAZ

Ober dem Kloster Marienberg im Vinschgau sieht man noch die Ruinen der Burg Kastellaz. Auf dieser Burg hausten einst Ritter, die das Volk sehr hart bedrängten, Raub, Mord und Plünderung verübten und ein sittenloses, ausschweifendes Leben führten. Unter diesen gottlosen Bewohnern aber lebte eine Dienstmagd, die sehr fromm war und trotz der schwersten Arbeiten immer täglich heimlich in der Küche nach dem Abspülen den hl. Rosenkranz betete.

An einem schwülen Sommerabend stand sie allein in der Küche neben dem Herd und betete. Da kroch aus einem Loch eine weiße Maus heraus. Die hielt um den Hals ein Zettelchen, auf dem geschrieben stand: "Verlasse eilends die Burg, denn sie geht zugrunde!" Die Magd sprang davon und floh in ein Bauernhaus auf den Höhen von "Premejur". Kaum war sie angekommen, als ein furchtbares Hochgewitter losbrach; der Blitz schlug in die Burg und die Flammen zerstörten sie so schnell, daß von den Inwohnern keiner entfliehen konnte. Wie morgens die Sonne aufging, beleuchtete sie eine schwarze Ruine, Zeugin, wie Gott die unverbesserlichen Sünder straft.

Quelle: Der Sammler. Beiträge zur tirolischen Heimatkunde. Hrsg. Franz Innerhofer. 5 Bände, Meran 1906 / 1911. I, 10/21