DAS KRUZIFIX AUF DER TÖLL

Dieses Bild kam auf der Etsch dahergeschwommen. Die Töller fingen es auf und stellten es in das Kirchlein. Da beobachteten sie bald, daß es wachsende Haare habe, so daß diese nach und nach in Locken auf die Schultern herabfielen. War darüber große Freude und Andacht! Doch eines mißfiel am Bilde: Christus schien einen viel zu langen Hals zu haben. Da schnitt man, um diesen Fehler ganz zu verbessern, den Kopf ab, machte den Hals kürzer und setzte ihm den Kopf wieder auf. Seitdem hat aber das Wachsen der Haare aufgehört. Jammer und schade ist's, daß der Hals jetzt so kurz ist; denn der herumgehende Schuster hat gesagt, er habe in der ganzen Welt kein ähnlicheres Konterfei von Christus gesehen, als dieses auf der Töll gewesen ist, als es noch den langen Hals hatte. (Partschins).

Quelle: Zingerle, Ignaz Vinzenz, Sagen aus Tirol, 2. Auflage, Innsbruck 1891, Nr. 885, S. 515