UNSERE LIEBE FRAU IN SCHNALS
Zwei fromme Pilger kamen einst in das Schnalstal. Einsam auf dem Hügel
betend, bemerkten sie, unweit von sich in der dunklen Waldung, eine ungewöhnliche
Helle. Wie von einer unsichtbaren Macht angezogen, näherten sie sich
der Stelle und fanden ein aus Holz zierlich geschnitztes Bild, das Maria
mit dem Jesuskinde auf einem Baumstock sitzend, vorstellte.
Voll Freude eilten sie in die nächsten Bauernhöfe und verkündeten
den Fund. Alsogleich lief jung und alt zum leuchtenden Bild hinauf. Man
trug es dann in die nächste Hütte herab, aber bald war es an
die alte Stelle verschwunden. Als sich dies öfters wiederholte, beschloß
man, dem Gnadenbilde eine Kirche in der Tiefe des Tales zu bauen, doch
vergebens. Der Bau wollte nicht vorwärtsgehen, Maurer fielen vom
Gerüste, Zimmerleute beschädigten sich, und Vögel trugen
die vom Blut der Verunglückten geröteten Späne auf den
nahen Hügel. Da folgte man endlich diesen Winken des Himmels und
baute die Kirche an der Stelle, wo sie jetzt steht. Zur Erinnerung an
die Auffindung des Bildes durch Pilgrime tragen dasselbe bei Prozessionen
Knaben in Pilgertracht.
Quelle: Zingerle, Ignaz Vinzenz, Sagen aus Tirol, 2. Auflage, Innsbruck 1891, Nr. 876, S. 509