DIE SCHMERZHAFTE MUTTERGOTTES IN LATSCH

Es war um das Jahr 1765, am ersten Sonntag nach Ostern, als das Gnadenbild auf wunderbare Weise zum Vorschein kam. Kaum graute der Morgen des genannten Tages, als von dem Krachen einiger Felsstücke, die am nahen Sonnenberg sich losgerissen hatten, die Dorfbewohner aus dem Schlaf geschreckt wurden. Als der Tag heranbrach, machten sich mehrere auf, um zu sehen, ob wohl niemand auf der Straße, die am Fuße des Berges hinläuft, verunglückt wäre.

Kaum waren sie bei der Brücke angelangt, da erschreckte sie neues Krachen. Sie sahen zum Berge hin und erblickten ein schimmerndes Bildnis, das herabschwebte und sich in der Nähe der Brücke im Angesichte der Umstehenden niederließ. Abends wurde das Gnadenbild in feierlicher Prozession in die zunächstgelegene Frauenkirche (benannt "Auf dem Bühl") übertragen.

Quelle: Zingerle, Ignaz Vinzenz, Sagen aus Tirol, 2. Auflage, Innsbruck 1891, Nr. 882, S. 514