Perim, der Tuifl
Die Terrasse am Schloss Hochnaturns liegt über dem einstigen Ort unmenschlicher Qualen, ungehörter Rufe und langsamen Dahinsterbens. Der Gang dorthin heißt heute noch der Weg zur Hölle", den auch Perim nach Jahren bitterer Qual gehen musste.
Perim wohnte mit seiner jungen Frau Miniga auf Forchach,
wohl dem heutigen Forch, hoch oben am Sonnenberg, nahe der Baumgrenze.
Dort verdiente er sich als Holzfäller das kärgliche Brot. Seit
er dann in die Dienste des Hochnaturnser Schlossherrn trat, musste er
die Burgküche mit Wildbret beliefern. Dabei erlag er immer öfter
der Versuchung, auch für seine Küche Wild zu erlegen, wohlwissend,
dass auf ein solches Vergehen die Todesstrafe stand. Der überführte
Wilderer musste nämlich damals zusammen mit dem erlegten Tier im
Hungerturm verschmachten. Auch auf das Drängen und Bitten seiner
hübschen Frau Miniga hörte er nicht und wurde dann wirklich
beim Wildern ertappt. Miniga fiel dem Schlossherrn, der auch die Gerichtsbarkeit
inne hatte, zu Füßen und bat ihn inständig, ihren Mann
vor dem Hungertod im schaurigen Verließ zu bewahren. Da der Schlossherr
schon lange ein Auge auf sie geworfen hatte, verschonte er Perim zwar
mit dem Tode, verhängte über ihn aber eine schreckliche Strafe.
Er durfte seine Frau nie mehr wiedersehen und musste einen mit Nägeln
beschlagenen Eisenhut tragen, auf dem man das Geweih des Hirsches befestigt
hatte. Mit dieser stacheligen Kopfbedeckung war er verurteilt, auf der
Landstraße Steine zu klopfen. Eine derartige Strafe sollte der Abschreckung
dienen, brachte aber für Perim so viel Spott ein, dass er immer menschenscheuer
wurde und bald sogar das Reden verlernte. Vom Volk wurde er nun der Tuifl"
genannt und allenthalben gemieden. Da zog der Landesfürst von Tirol,
Graf Ludwig, gegen die Tarasper und Matscher durch den Vinschgau und begegnete
dem armen Perim. Von Mitleid gerührt, sprach er beim Naturnser Schlossherrn
vor und erwirkte nach längerem Verhandeln die Freilassung Perims.
Nach der Begnadigung konnte er trotz der vielen qualvollen Jahre das Wildern
nicht lassen und wurde neuerdings ertappt überführt. Diesmal
fand sein Leben im Hungerturm ein schreckliches Ende.
Quelle: Sage, Brauchtum und Geschichten in und um Naturns. Maria Gerstgrasser. Naturns 2003. S. 17