Der Untergang des Schlosses am Salten
Die Sage wurde nach einer überlieferten
Erzählung niedergeschrieben und vom heimischen Geschichtsforscher
Josef Ladurner, Benefiziat in Partschins in Gedichtform neu verfasst.
Er lässt einen gewissen Gall Gerstgrasser, Giggibergbauer, seinen
Kindern die Zerstörung des Schlosses, ihre Ursachen und die jämmerlichen
Folgen erzählen:
Zwei Jahre nach der
Hochzeit des jungen Ritters und Schlossbesitzers Werdomer brach der Gingglsee
als Strafgericht über die lasterhaften Schlossbewohner herein und
verwüstete das prächtige Schloss am Saiten. Werdomer war ein
gottloser Mensch. Im Beisein aller Ritter aus der Umgebung feierte er
mit Gundisand, einer gut christlichen Tochter des Ritters Told von Rabland,
eine glanzvolle Hochzeit. Die junge Braut lud ihre beste Freundin Kunigunde,
die Tochter des Schweighofes in Rabland, ein. Nach einem ausgiebigen Mahle
und Zechgelage versuchte die sittsame Kunigunde, den lüsternen Anspielungen
der ausgelassenen Gäste zu entfliehen. Doch am Tore lagen die betrunkenen
Knechte, und sie wagte sich nicht hinaus. Da schlich sie sich in die Küche
und traf dort eine alte Küchenmagd, die ihr empfahl, sich im alten
finsteren Turm zur Ruhe zu legen. Ein anhaltendes Stöhnen schreckte
sie vom Lager. Es erschien nämlich ein alter Mann, beinahe ein Totengerippe,
der die gefesselten Hände weit von sich streckte. Beherzt sprach
sie den alten Mann an: Geist oder Mensch, warum trägst du Fesseln?"
Da erzählte der arme Greis, dass ihn sein Sohn Werdomer schon vor
drei Jahren in diesen Turm geworfen hatte und hier bei Wasser und Brot
gefangen hielt, nur um das Erbe antreten zu können. Zweimal in der
Woche werde er ausgepeitscht, weil er seinen Vater erschlagen hatte. Kunigunde
war entsetzt ob solcher Grausamkeiten und entdeckte erst jetzt die vielen
Blutspuren an der Wand des alten Turmes. Der alte Graf schlug seinen Kopf
mehrmals an die Steinmauern, fiel stöhnend zu Boden und starb. Das
Mädchen floh entsetzt aus dem unheimlichen Turm, trat in das Klarissenkloster
in Meran ein, um für die unglückliche Freundin Gundisand zu
beten. Der junge Ritter fand in den Schuttmassen des Gingglsees den Tod
und lange nachher geisterten die drei, Großvater, Vater und Sohn
Werdormer, auf dem Saiten umher. Man sah sie in stliller Mitternachtsstunde
auf der Wasserleitung sitzen, schwarz wie Kohle, vom Höllenfeuer
umzüngelt... Gemeinsam schrieen sie ihre Vorwürfe in die Mitternacht
hinaus, verwünschten und verfluchten sich gegenseitig: O weh,
ich hab meinen Vater umgebracht, mich versengen Höllenflammen!"
Seither wird die
Örtlichkeit Kohlstatt genannt.
Quelle: Sage, Brauchtum
und Geschichten in und um Naturns. Maria Gerstgrasser. Naturns 2003. S.
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