Der Teufel in der Wirtsstube
Es geschah vor vielen Jahren am Vorabend zum Christtag, daß sich
in einem Wirtshaus in Naturns drei liederliche Burschen bei einem verbotenen
Kartenspiel die Zeit vertrieben. Der Wirt machte sie auf die Heiligkeit
des Abends und das Verwerfliche ihres Tuns aufmerksam. Die wüsten
Gesellen lachten bloß darob, und der Gottloseste unter ihnen schlug
mit seiner Faust auf den Tisch und rief: "G'spielt wird, und wenn
der Teufel selber kam!" Kaum aber war das greuliche Lästerwort
ausgesprochen, als sich die Türe öffnete und ein wildfremder
Jägersmann erschien. Mit listig lauerndem Blick nahte er sich hinkend
den übermütigen Burschen, klopfte dem erschrockenen Frevler
auf die Schulter und krächzte mit seiner heiseren Stimme: "Spielt's
nur zu, Buben! Derjenige aber, der als letzter die Stube verläßt,
ist mein!" Mit diesen Worten zog er sich hinter den Ofen zurück
und beobachtete mit seinen grün flammenden Katzenaugen die Spieler.
Diesen aber war aller Mut vergangen. Wie gebannt saßen sie auf ihren
Stühlen, die Karten entfielen ihren Händen und mit weitgeöffneten
Augen starrten sie sich in die blassen, angstverzerrten Gesichter. Sie
erkannten wohl, daß nur ein Höherer ihnen in ihren Nöten
helfen könne. Reumütig warfen sie sich deshalb auf ihre Knie
und nahmen zum Gebet, das sie bisher vernachlässigt hatten, ihre
Zuflucht. Endlich erschien der Pfarrer. Da er aber nicht die Gewalt besaß,
den Höllenfürst zu bannen, eilte ein mitleidiger Bauer zu den
Kapuzinern nach Meran, wo ein heiligmäßiger Pater lebte, und
bat diesen um Hilfe. Noch im Dunkel der Nacht eilte der Ordensmann nach
Naturns und trat, die blinkende Monstranz in Händen, in die Wirtsstube,
wo das saubere Kleeblatt noch immer auf den Knien lag. Der fromme Priester
verrichtete ein stilles Gebet und befahl den drei Burschen, die Stube
zu verlassen. Er selbst folgte ihnen, das Angesicht dem Teufel zugewandt,
hielt diesem die Monstranz entgegen und rief: "Der Letzte sei dein!"
Der Satan sah sich überlistet. Ingrimmig stieß er seinen Pferdefuß
auf den Boden, spie Feuerflammen und verschwand mit einem tierischen Gebrüll.
Die geretteten Burschen bekehrten sich und galten bald als Vorbild der
Gemeinde..
Quelle: Winkler Robert, Volkssagen aus dem Vinschgau. Bozen 1968. S. 337 f.