Von einem Geist verfolgt
Vor langer Zeit starb in Naturns ein Mann, der mit dem Schnatzhofer am Naturnser Sonnenberg in Streit gelegen war. Er fand nicht mehr die Zeit, sich mit dem ändern auszusöhnen und sein Unrecht gutzumachen. Nach seinem Tode sah man nun auf dem oberen vorspringenden Hügel am Nördersberg drei Tage nacheinander ein Licht aufleuchten. Am dritten Tage geschah es, daß der Schnatzhofer noch spät abends heimzu schritt. Als er ein Stück des Weges zurückgelegt hatte, bemerkte er weit unten ein Licht, das ihm nacheilte. Er meinte, es sei der Nachbar, erkannte aber bald, daß es etwas anderes sein müsse, da der Lichtträger immer schneller näherrückte. Er bekam es deshalb mit der Angst zu tun und fing an zu laufen. Je ungestümer er aber dahinhastete, desto näher kam das unheimliche Licht. Keuchend erreichte er seinen Hof, riß die Haustüre auf, stürzte hinein und verriegelte schleunigst das Tor von innen. Vor dem Hofe entstand sogleich ein entsetzlicher Lärm. Es rasselte an der Tür und lärmte um das ganze Haus, ja sogar auf dem Dache. Dieser Höllenlärm dauerte über eine halbe Stunde. Die ganze Familie bebte vor Angst und begann zu beten.
Seit diesem Tag war das Licht auf der anderen Talseite nicht mehr zu sehen. Der Schnatzhofer konnte wieder ruhig seiner Arbeit nachgehen.
Quelle: Winkler Robert, Volkssagen aus dem Vinschgau. Bozen 1968. S. 333.