DAS NÖRGGELE MIT DER EGGE
Auf dem Sonnenberg bei Schlanders hauste ein Bauer, dem ein Nörggele gar freundlich gesinnt war. Es bestimmte ihm alljährlich im Spätherbst die Zeit, wann er das Feld bebauen und ansäen sollte. Und zwar geschah dies dadurch, daß es ihm die Egge hinaus auf den Acker schleppte. Der Bauer gehorchte immer dem Wink seines kleinen Gönners und erfreute sich sodann im nächsten Frühjahr und Sommer stets der reichsten Ernte.
Eines Jahres aber trug es sich zu, daß das Nörggele ungewöhnlich lange nicht mit der Egge erschien. Der Bauer sah, wie alle seine Nachbarn bereits ihre Felder bestellt hatten, ja, wie mancherorts aus diesen Äckern schon die grüne Saat hervorschimmerte, und wartete immer noch auf das Kommen des Männleins.
Aber dieses kam nicht. Da dachte sich endlich der Bauer: "Jetzt kommt es gewiß nicht mehr - vielleicht ist es gar gestorben?" Und baute an. Kaum aber hatte er die Arbeit vollendet, als am nächsten Tag unverhofft das Nörggele mit der Egge daherkam. Als es sah, daß die Felder schon angebaut waren, wurde es grantig und begann zu schimpfen:
"Warum so voreilig? warum so schnell? Deine Ernte wird im kommenden
Jahr nur sehr gering sein, deine Nachbarn aber werden gar nichts ernten!"
Hiermit verschwand es für immer. Im folgenden Jahr aber erwahrte
sich die Drohung des Kleinen.
Quelle: Zingerle, Ignaz Vinzenz, Sagen, Märchen und Gebräuche aus Tirol, Innsbruck 1859, S. 47