DER NORGG IN PLANAIL

Zu einem Bauernhaus in Planeil kam des öfteren ein Norgg, der nur einen Schuh lang und ziemlich dick und mit einer grünen Jacke und grünen Höslein bekleidet war. Er setzte sich auf das Küchenfenster und zeigte seine plötzliche Ankunft durch ein gellendes Jauchzen an; dadurch erschrak die Bäuerin so, daß sie einen Hupf tun mußte und nicht selten die Suppe ins Feuer schüttete und am ganzen Leibe zitterte. Alsdann sprang der Norgg wieder vom Fensterbrett und verschwand lachend in der Dunkelheit.

Die Bäurin fragte alle Nachbarn um Rat, wie sie dem unheimlichen Plaggeist das Wiederkommen verleiden könne. Doch nichts wollte helfen. Endlich riet ihr eine Malserin, eine besonders pfiffige Person, folgendes: "Richte dir", sagte sie, "eine große und schwere Mausefalle und nimm ein gutes Stück Speck als Köder und stelle alles auf das Küchenfenster; du darfst aber kein Feuer schüren, und alle im Haus müssen mucksmäusleinstill sein. Kommt dann der Norgg und findet den Speck, so will er ihn gewiß gleich packen - und reißt so die Falle zu. Ist er aber drinnen, so kommt alle schleunig herbei und droht ihm, noch einen schweren Stein daraufzuschweren oder ihn mit dem glühenden Feuerhaken zu zwicken, wenn er nicht verspräche, euch fortan in Ruhe zu lassen."

Dieses Rezept gefiel der Planeiler Bäuerin, sie tat wie geraten und fing tatsächlich den Norgg noch in derselben Woche. Und dieser winselte und winselte, wie er da in der Mausefalle saß und nicht mehr herauskam, und bat um Erlösung; denn er war fast plattgedrückt. Zugleich ballte er seine Fäuste und ließ einen Schwall der übelsten Schimpfwörter los.

Die Bäurin und ihr Mann liefen nun herbei, und er mußte, wie wohl höchst ungern, versprechen, das Haus auf immer zu meiden und nie mehr zu kommen. Wimmernd und fäustchenballend versprach er es und wurde tatsächlich nie wieder gesehen.

Quelle: Zingerle, Ignaz Vinzenz, Sagen aus Tirol, 2. Auflage, Innsbruck 1891, Nr. 120, S. 73